Der Kampf zwischen Liebe und Lust
TAG 3 DER “40 TAGE SOMMER”
Es ist kein Geheimnis mehr, dass ich eine sexuelle Vergangenheit habe. Google einfach meinen Namen und du findest es sofort heraus – und zwar hauptsächlich deshalb, weil ich mich dazu entschieden habe, die Scham über meine Vergangenheit abzuschütteln und ihr keinen Raum mehr zu geben. Ich gebe zu, dass ich das, was ich getan habe, vor allem deshalb tat, weil ich meine sexuellen Sehnsüchte und meine Lust mit einem einzigen, winzigen Wort – „Liebe“ – rechtfertigte. Dieses Wort wurde zur fundamentalen Stütze jeder sexuellen Absicht, die ich verfolgte. Ich weigerte mich, mich der religiösen Meinung unterzuordnen, dass es schlicht und ergreifend Lust sei, die mich antreibe. Lust war doch etwas, das andere Menschen empfanden, wenn sie einen gutaussehenden Mann oder eine attraktive Frau sahen oder eine Tasse ihres Lieblingskaffees in der Hand hielten – aber ich? Gut, ich hatte mit jemandem geschlafen. Ich hatte jedoch auch eine "solide" These für meine Handlungen, eine Begründung für das Ultimum an Verletzlichkeit. Ich schlief nicht einfach mit jedem – sondern nur mit denen, die ich liebte. Ich führte in dieser Hinsicht nur wenige Diskussionen, was vor allem daran lag, dass ich niemanden hatte, dem ich es erzählen musste – und so tat ich das auch nicht. Ich tat, was ich für richtig hielt und lebte mit mir und meinem Freund quasi im luftleeren Raum.
Es stellte sich heraus, dass ich nicht in einem Vakuum lebte. Heute gehe ich mit einer ganz anderen Einstellung an diese Sache heran – und begegne meinem damaligen Argument und meiner früheren Denkweise in Form von Stirnrunzeln sehr oft, wenn ich erwähne, dass ich auf die „Entente“, den Bund, der Ehe warte. Es ist auch der Grund dafür, dass ich als „unflexibel“ und guten Männern gegenüber als „verschlossen“ bezeichnet werden, wenn es um das Thema (temporäre) Enthaltsamkeit geht. Das Argument zeigt außerdem den Grund dafür auf, dass die Welt immer verwirrter und verwirrender wird: wir sind es – weil wir uns selbst verwirren. Sie runzeln die Stirn, weil sie denken, dass ich nicht voll und ganz lieben kann. Ich runzle die Stirn, weil sie sich in der Bedeutung dessen, was Liebe ist, irren.
Bevor wir einige Punkte genauer anschauen, möchte ich klarstellen, dass ich mich nicht zu den Pastoren zähle, die das Wort Lust wie ein Schimpfwort ausspucken – so wie es viele religiöse Personen schon getan haben. Oft erscheinen solche Mensche prüde zu sein und keinerlei Verständnis für sexuelle Sehnsüchte zu haben. Sexualität ist jedoch essenziell und wir benötigen sie für eine funktionierende Menschheit. Ich bin keine Nonne, die jetzt von jedem ein Gelübde der Enthaltsamkeit und Askese verlangt. Ich möchte dorthin zurückkehren, wo Lust kraftvoll ist und wo sie das nicht ist.
DIE DEFINITION VON LUST IST „EINE STARKE SEXUELLE SEHNSUCHT NACH EINER PERSON“ ZU HABEN. DAS IST ALLES.
Das ist alles. Lust ist nicht gleich Sex und sie ist auch kein die Zeit überdauerndes Feuerwerk. Sie ist kein Versprechen und keine Verpflichtung. Lust kämpft nicht um dich und ist kein Fundament, auf das Vertrauen zu einer anderen Person aufgebaut wird. Lust trocknet weder deine Tränen ab, noch stellt sie deine Bedürfnisse über die eines anderen. Nein.
Lust vergeht, Liebe bleibt. Lust vergisst. Lust blendet aus. Lust ist nicht vorausschauend. Lust verherrlicht One-Night-Stands, Liebe schreibt Geschichten von Hingabe und Selbstlosigkeit. Lust bringt leere Worthülsen hervor, die Liebe hält, was sie verspricht. Die Lust verteidigt sich ohne Demut, die Liebe bittet immer um Vergebung. Liebe schafft Raum zum Staunen, die Lust fragt, wie spät es ist? Lust misst mit zweierlei Maß – und wählt immer das, das für sie selbst am besten ist. Die Liebe wählt den höchsten Standard und kämpft um ihn. Die Lust schickt eine kurze SMS, um ein Verhältnis zu beenden, die Liebe schließt eine Beziehung von Angesicht zu Angesicht ab.
Die Häufigkeit, mit der wir die Leidenschaft der Lust verwechseln und glauben, es sei Liebe, zeigt mir, dass etwas gesagt werden muss. Lust ist keine Liebe, sie ist ein Nebenprodukt der Schönheit und hat viel zu selten wahre Tiefe oder echte Liebe zur Folge. Zum ersten Mal bin ich mit 50 Cent einer Meinung, der rappt: "Ich stehe auf Sex, ich stehe nicht auf Liebe". Ich bin froh, dass eine Person, die in der Welt der Influencer eine Stimme hat, erkennt, dass es da einen Unterschied gibt – auch wenn er keine Verantwortung für das Herz dieser Frau(en) und das, was der Sex mit ihr bzw. ihnen macht, übernimmt.
Und heutzutage, inmitten der Bikinibilder am Strand und der aufreizenden Selfies, die alle subtile Aufforderungen an die Männerwelt sind, diese Bilder und uns auf lustgesteuerte Art und Weise anzuschauen und auszuchecken - sage ich, dass es einen viel kraftvolleren und würdevolleren Weg gibt, um sich täglich mit Schönheit zu schmücken. Der tiefe Einfluss von Zärtlichkeit, von Gesprächen anstelle von Kuscheln und Knutschen, von Anmut und Gnade anstelle des körperlichen Festhaltens. Denn nichts von all dem ist von Dauer - genau wie das amüsante Video eines winzigen Hamsters, der Mini-Burritos frisst, das über Nacht viral geht und dann doch ganz schnell wieder vorbei ist.
Wir müssen darauf achtgeben, Liebe nicht anhand unserer eigenen Erfahrungen zu definieren, sondern anhand der tiefen und beständigen Wahrheit dessen begreifen, wie sich die Liebe selbst definiert: sie ist freundlich, sie ist geduldig, sie ist nicht selbstsüchtig. Diese Definition ist seit Tausenden von Jahren unter uns, inspiriert durch den eigentlichen Erfinder der Liebe. Es ist an der Zeit, zum Ursprung zurückzukehren, bevor noch mehr Familien auseinanderbrechen, bevor Pansexualität zu einem weiteren "Ding" wird, bevor wir in einen Raum eintreten, in dem Sexualität keine tiefe Bedeutung mehr hat und alles und jede Form erlaubt ist. Alles geht, natürlich tut es das, aber das bedeutet nicht, dass du wirklich Liebe erlebst und machst. Was man viel eher macht, meine Liebe, ist: sich etwas einzureden.
In unserem Buch „40 Day Journey to Purity“ steigen wir noch tiefer in dieses Thema ein. Es gibt dieses Buch jeweils in einer Version für Männer und Frauen.