Warum sich Kinder Pornografie anschauen (und es nicht ihr Fehler ist)

Der englische Original-Blog stammt von „Protect Young Eyes“ und wurde mit ihrer Erlaubnis gepostet. Die deutsche Version liegt hier in leicht abgeänderter Fassung vor, bei der die empfohlenen Ressourcen und Geräte, die ausschließlich in den USA verfügbar sind, mit solchen aus dem deutschsprachigen Raum ersetzt wurden. Für weitere Informationen, besucht ihre Website: protectyoungeyes.com*.

Liebe Eltern, es wird euch etwa 7 Minuten kosten diesen Beitrag zu lesen – 7 kostbare Minuten, die euch ein neues Verständnis für eure Kinder geben werden.

Das Wichtigste in Kürze: Wenn sich dein Kind Pornografie anschaut, dann ist es höchst wahrscheinlich nicht seine Schuld. Und wenn dein Kind es zugibt, gib ihm ein High-Five.

„MAMA, ICH KONNTE EINFACH NICHT AUFHÖREN.“

Vor einiger Zeit hat mich eine Mutter kontaktiert, weil sich ihr 11-jähriger Sohn Pornografie angeschaut hatte. Sie war hilflos und wusste nicht, was sie tun sollte.

Eine Woche zuvor hatte Julie (Name geändert) ein Gespräch mit ihrem 18-jährigen Sohn darüber, wie es ihm grade ging und was ihn beschäftigte. Dabei kamen sie auf das Thema Pornografie zu sprechen und sie redeten darüber, wie ihn das beeinflusst hatte. Da er damit zu kämpfen gehabt hatte, hatte er sich nun digitale Sicherheitseinrichtungen zur Hilfe genommen und es wurde immer besser.

Das ganze Gespräch fand allerdings in der Küche statt, sodass Julies 11- jähriger Sohn, ohne ihr Wissen alles mitgehört hatte. Jason (Name geändert) hatte das Wort „Pornografie“ aufgeschnappt. Ein Wort, dass er nicht kannte und nicht verstand, weil sie nie darüber geredet hatten. Er tat, was jede neugierige, junge Person tun würde, setzte sich an den Familien Computer und googelte es. Das geschah an einem Freitagabend.

Unglücklicherweise genau in dem kleinen Zeitfenster, als keine Filtersoftware aktiv war, da Julie gerade eine neue installierte.

Am Sonntag saß Jason dann erneut am Computer, als seine ältere Schwester einen Blick auf den Bildschirm erhaschen konnte, bevor er das Fenster schließen konnte. Seine Schwester erzählte es sofort der Mutter, die schockiert war, dass ihr süßer, kleiner Junge Pornos schaut. Der Vater war gerade auf Geschäftsreise und würde nicht vor Dienstagabend zurück sein.

Also vereinbarte Julie mit Jason am Montag nach der Schule darüber zu sprechen. Und als dieses Gespräch dann stattfand, sagte Jason etwas, dass seine Mutter nicht wirklich verstand.

„Mama, ich konnte einfach nicht aufhören die Seiten anzuklicken. Es war als hätte ich die Kontrolle verloren.“

Als Julie das hörte, begann sie einiges an ihrem Erziehungsstil zu hinterfragen. Wie konnte er immer weiter machen? Er wusste, dass das falsch war! Wir sind eine christliche Familie! Er weiß es besser.

LOS, LOS, LOS! JUNGE GEHIRNE + PORNOGRAFIE = VOLLDAMPF VORAUS!

Erwachsene verlassen sich den ganzen Tag sehr stark auf ihren präfrontalen Kortex. Dieser sitzt buchstäblich im vorderen Teil des Gehirns und ist verantwortlich für:

  • Fokussierte Aufmerksamkeit

  • Antizipieren und Vorhersagen der Konsequenzen des eigenen Verhaltens

  • Impulskontrolle, Umgang mit den eigenen Emotionen

  • Zukunftsplanung

  • Konditionales Denken (Ich kann dies nicht tun, bevor jenes nicht geschehen ist)

Das Gehirn entwickelt sich von hinten nach vorne. In anderen Worten, der präfrontale Kortex ist einer der Bereiche, der sich zuletzt entwickelt. Teilweise reicht diese Entwicklung bis in unsere 20er hinein.

Das bedeutet nicht, dass der präfrontale Kortex bei Jugendlichen nicht funktionsfähig ist. Es bedeutet nur, dass er nicht den vollen Funktionsumfang eines Erwachsenen besitzt. Dieser Bereich des Gehirns, der so wichtig für das Fällen von guten und rationalen Entscheidungen ist, ist bei 11-Jährigen nicht nur nicht voll funktionsfähig, sondern zusätzlich auch noch nicht richtig mit den Bereichen des Gehirns verknüpft, die Teil von Entscheidungsprozessen sind. Das Bilden und Eliminieren von Synapsen sorgt dafür, dass die verschiedenen Bereiche des Gehirns miteinander verbunden werden und dieser Prozess erfolgt bis ins Erwachsenenalter.

Hier ist ein Auszug der Website Good Therapy:

„Die meisten 15-Jährigen können ein hypothetisches Risiko genauso gut abschätzen, wie Erwachsene. Allerdings bestehen bei Jugendlichen noch nicht genug Verbindungen zwischen dem präfrontalen Kortex und dem limbischen System. Anders ausgedrückt, die Kommunikation zwischen dem Bereich des Gehirns, der für Selbstkontrolle zuständige ist und dem Bereich, der für Kampf oder Flucht Reaktionen zuständig ist, gestaltet sich schwierig. So kann es sein, dass der 15-jährige unter Stress und Druck vorschnell reagiert, obwohl er es eigentlich ‚besser weiß‘.“

In anderen Worten, wenn ein Jugendlicher sagt, „Ich weiß nicht, warum ich das gemacht habe“ sagt er vermutlich zumindest teilweise die Wahrheit. In diesem Fall macht Jasons Aussage, „Ich konnte einfach nicht aufhören“ auf jeden Fall viel mehr Sinn.

Sexuelle Inhalte, Reize und Signale bewirken einen Beschuss des Gehirns mit einem Cocktail von Hormonen wie Dopamin, Noradrenalin und Serotonin. Wenn diese kraftvollen neurologischen Mächte auf einen unterwickelten präfrontalen Kortex stoßen, hat ein junges, sich gerade entwickelndes Gehirn, einfach keine Chance.

Also, was sind drei Dinge, die Eltern angesichts dieser Tatsachen und realen, digitalen Umständen tun können?

WIE MAN VERMEIDEN KANN, DASS KINDER PORNOGRAFIE AUSGESETZT WERDEN

ERGREIFE DIGITALE SICHERHEITSMASSNAHMEN.

Welch geniale Erfindung das Internet doch ist. Alle Arten von Informationen und Inhalten sind schnell und überall verfügbar. Das ist auf der einen Seite äußerst hilfreich, erfordert allerdings auch, dass wir uns mit digitalen Sicherheitseinrichtungen beschäftigen, damit wir und vor allem unsere Kinder eben nicht allen Inhalten ausgesetzt sind. Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten den Internetzugriff individuell zu begrenzen und zu kontrollieren. Kindersicherungen, Router-Einstellungen, Antivirus-Programme, spezielle Filtersoftware, kindgerechte Suchmaschinen oder Apps, mit denen die Internetnutzung für Kinder eingeschränkt, gefiltert, überwacht und freigegeben werden kann.

Hier findest du konkrete Tipps, wie du die Internetnutzung für deine Kinder sicherer machen kannst. Außerdem wäre hierein Beispiel einer Software für Endgeräte, mit der individuelle Filter für altersgerechte Inhalte eingestellt werden können.

Sei ermutigt, dich damit zu beschäftigen und Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen!

NORMALISIERE PORNOGRAFIE.

Einen Moment bitte! Bevor du eine wütende E-Mail formulierst, lass mich erklären, was ich damit meine! Fangt früh an, über Pornografie zu reden. Redet oft über Pornografie. Stell sicher, dass deine Kinder zu jeder Zeit mit dir über digitales „Zeug“ reden dürfen. Und das beinhaltet auch, dass sie offen über Pornografie reden dürfen. Das fängt damit an, dass du offen über Pornografie redest; darüber, was es ist, was du darüber denkst und was deine Kinder tun müssen, wenn sie es sehen oder jemand anbietet, es ihnen zu zeigen.

In dem Blog „How to Talk to a 5-year-old about Pornography“, (dt. Wie spreche ich mit einem 5-Jährigen über Pornografie?“), gebe ich ein paar gute Beispiele für solche Gespräche. Dort gibt es außerdem ein paar großartige Bücher (auf Englisch) zu dem Thema, die dir helfen könnten, die richtigen Worte zu finden!

KEINE SMARTPHONES FÜR KINDER.

Smartphones sind kleine Pornografie Boxen. Super Computer mit Zugriff auf die Welt und auf alles andere. Wir glauben einfach nicht, dass Kinder, die noch in die Grundschule gehen, schon tragbares Internet brauchen.

Überlege dir also, wann es sinnvoll ist, deinen Kindern ein eigenes Smartphone mit Internetzugang zu geben und dann bereite sie im Voraus auf den Umgang damit vor. Außerdem gibt es auch für Smartphones Sicherheitseinstellungen und -einrichtungen, die die App- und Internetnutzung einschränken und filtern können.

WIE DU REAGIEREN SOLLTEST, WENN DEIN KIND ZUGIBT PORNOGRAFIE GESEHEN ZU HABEN

FLIPPE NICHT AUS. FLIPPE NICHT AUS. FLIPPE NICHT AUS.

Stell dir mal für eine Minute vor, dein Sohn oder deine Tochter hätte Pornos angeschaut oder jemand hat es ihnen gezeigt. Sie fühlen sich schlecht deswegen und entscheiden sich, Mama zu erzählen, was passiert ist, um es einfach loszuwerden.  

Wie hilfreich ist es, wenn du in diesem Moment enttäuscht bist? DEIN KIND HATTE GERADE DEN MUT, DIR ZU ERZÄHLEN, DASS ES SICH PORNOGRAFIE ANGESCHAUT HAT.

Gib deinem Kind lieber ein High-Five, geh mit ihm seinen Lieblingsnachtisch essen und feiere, als hätte es gerade nur Einsen in der Schule bekommen.

Ernsthaft! Flippe nicht aus. Deine Körperhaltung, dein Gesichtsausdruck, alles ist wichtig. Sei offen und bereit. Wenn du enttäuscht bist, dann zeige es nicht oder dein Kind wird das nächste Mal nicht wieder zu dir kommen, wenn es mit Pornografie in Berührung kommt (und die Chancen sind hoch, dass es ein zweites Mal passiert).

Weitere Punkte für diese Unterhaltung:

  • Nur ein Elternteil. Ihr kennt die Beziehungsdynamiken am besten, aber für diese erste Unterhaltung ist es besser, wenn ihr nicht wie zwei Verbündete rüberkommt.

  • Erinnere deinen Sohn oder deine Tochter daran, dass du sie liebst, egal was sie tun.

  • Sei ruhig und entspannt, wenn du deinem Kind die digitalen Beweise zeigst, die du gefunden hast.

  • Teile ihm Gründe mit, warum Pornografie schlecht für Menschen ist. Fight the new Drug (dt.: Bekämpfe die neue Droge), leistet hervorragende Arbeit dabei, zu erklären, warum Pornografie schlecht fürs Gehirn, das Herz und die Welt ist.

BENUTZE DAS RICHTIGE JUGENDSCHUTZPROGRAMM.

Da gibt es viele. Zu viele, um sie alle hier aufzuzählen. Wir haben alle möglichen Softwareprogramme getestet und in unserem sehr bekannten Blog-Beitrag zusammengefasst. Im Grunde geht es darum, den Einstrom expliziter Inhalte zu stoppen.

Hier kannst du mehr über diese ausführlichen Tests lesen. (Angesichts der Unzahl an Möglichkeiten, versuchen wir hier etwas Klarheit zu schaffen. Das wären 10 weitere Leseminuten, falls du noch Zeit hast.)

SUCH DIR HILFE, FALLS NÖTIG. DU HAST VIELLEICHT NICHT ANTWORTEN AUF ALLE FRAGEN.

Lass deinen elterlichen Stolz nicht im Wege stehen, das Richtige zu tun. Im nachfolgenden ein paar Anzeichen dafür, dass dein Kind professionelle Hilfe brauchen könnte:

  • Das Verhalten deines Kindes ist übermäßig und unverhältnismäßig.

  • Dein Kind scheint auch nach deinem Eingreifen, nicht aufhören zu können Pornografie zu schauen.

  • Die pornografischen Vorlieben deines Kindes sind Hardcore, bizarr und/oder illegal.

  • Dein Kind ist in sexuellen Aktivitäten mit Fremden involviert, die es online kennengelernt hat.

  • Dein Kind gibt dir zu verstehen, dass es professionelle Beratung in Anspruch nehmen möchte.

(Anmerkung: Diese Liste ist nicht als medizinische Diagnose von Protect Young Eyes anzusehen – Eltern haben das letzte Wort)

VERSTEHE DAS GEHIRN = VERSTEHE DEIN KIND

Wenn Eltern besser verstehen, was im Gehirn ihres Kindes los ist, dann werden sie auch besser verstehen, warum gute und großartige Kinder manchmal so einfach von abscheulichen digitalen Inhalten in den Bann gezogen werden.

„Mama, ich konnte einfach nicht aufhören“, ergibt dann eine ganze Menge mehr Sinn.

Und, in einer Welt in der 27 % der ungefilterten Online-Videoinhalte explizit pornografisch sind und 56 % der Achtklässler sagen, dass es leicht ist, über unangemessene Inhalte „zu stolpern“ während man Hausaufgaben macht, (laut unserer eigenen Umfrage, die wir mit 156 Schülern an einer Schule machten, in der wir einen Vortrag hielten) sollten wir mehr Empathie zeigen. Ja, es ist schwierig Eltern im digitalen Zeitalter zu sein. Aber stell dir vor, wie schwierig es ist ein Kind zu sein, wenn explizit pornografische Inhalte buchstäblich hinter jeder digitalen Ecke lauern und dein Gehirn nicht richtig damit umgehen kann.

Ich hoffe, dass wir alle mehr Empathie und Dringlichkeit empfinden, wenn es um Pornografie in der Kindheit geht.

* Dieser und alle nachfolgenden Blogbeiträge sind nur auf Englisch verfügbar.

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