Wie man „Sicherheitsregeln für den Körper“ bei Kindern einführt
Ich kann mich noch ganz genau an den Moment erinnern, in dem ich das erste Mal über „Sicherheitsregeln für den Körper“ gehört habe. Ich war bei einer Veranstaltung für Mütter bei uns im Ort und eine der Mütter aus der Gruppe, die wir alle besonders schätzen, sprach über eine Vielzahl an Themen, die Kindererziehung und Elternsein betreffen. Ich weiß nicht mehr ganz genau, wie wir darauf kamen, aber eine der Teilnehmerinnen fragte, wie wir unsere Kinder vor sexuellem Missbrauch schützen können und die Sprecherin teilte ihre Erfahrungen mit „Sicherheitsregeln für den Körper“, die sie und ihr Mann in ihrer Familie eingeführt haben.
Obwohl diese Sicherheitsregeln nicht neu oder ungewöhnlich sind, hatte ich davor noch nie von ihnen gehört. Ich fand es inspirierend, wie diese Mutter eine Leidenschaft dafür hatte, ihre Kinder mit ihrem eigenen Körper vertraut zu machen, ihnen beizubringen, was angemessen und was unangemessen sein kann und sie dazu zu befähigen, mit lauter Stimme für sich einzustehen. Da meine Kinder zum damaligen Zeitpunkt beide unter zwei Jahren alt waren, ging ich davon aus, dass ich davon noch nichts für sie anwenden könnte. Die Sprecherin ermutigte mich jedoch, dass ich schon früh damit beginnen könne, eine gute Vertrauensbasis mit meinen Kindern zu bauen, offene Kommunikation und eine Achtsamkeit dem eigenen Körper gegenüber zu entwickeln, um dann zu einem späteren Zeitpunkt darauf aufbauen zu können.
In der Woche nach der Veranstaltung habe ich viel Zeit damit verbracht, Artikel über das Thema zu lesen, mich mit anderen Müttern auszutauschen und mit meinem Ehemann gemeinsam zu überlegen, wie diese Sicherheitsregeln für den Körper für unsere Familie lauten könnten.
Obwohl es für uns mit dem zunehmenden Alter unserer Kinder noch so viel zu lernen gibt, sind hier mal ein paar Dinge, die wir in der Phase mit zwei Kleinkindern implementiert haben:
1. Wir benutzen die richtige Bezeichnung für alle Körperteile
Obwohl sich das für mich anfangs noch sehr unangenehm angefühlt hat, wurde ich immer wieder darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, die richtigen Namen für die Körperteile zu benutzen, wenn du sie deinen Kindern beibringst. Insbesondere wenn Kinder die richtigen Namen ihrer Geschlechtsmerkmale wie z.B. Penis, Scheide, Brüste etc. kennen, können sie besser darüber mit einer Vertrauensperson ins Gespräch kommen, wenn jemand sie dort angefasst oder sich vor ihnen entblößt hat.
2. Wir sprechen ausdrücklich darüber, welche Körperteile privat sind
Neben der Nutzung der richtigen Namen für alle Körperteile, haben wir beim Baden oder Wickeln die Gelegenheit ergriffen, unseren Kleinkindern beizubringen, welche Körperteile privat sind und was das genau bedeutet. Während wir ihnen das erklären, betonen wir auch, dass außer Mama und Papa (oder andere Bezugspersonen) niemand Anderes diese Körperteile sehen oder anfassen darf, außer wenn Mama und Papa dabei sind, wie z.B. beim Arzt oder die Person explizit dafür zuständig ist, bei der Körperpflege des Kindes oder beim Wickeln zu unterstützen.
3. Wir erzwingen keinen körperlichen Kontakt
Für uns ist ebenfalls wichtig geworden, dass unsere Kinder lernen, dass ihr „Nein“ in Bezug auf körperlichen Kontakt von Bedeutung ist. Wir haben komplett damit aufgehört, unseren Sohn dazu zu zwingen oder ihn spielerisch zu locken, Küsse und Umarmungen an irgendjemanden zu geben, uns eingeschlossen. Da meine Familie körperliche Nähe liebt und wir uns gerne mal Küsse oder Umarmungen zum Abschied geben, haben wir Wert darauf gelegt unseren Verwandten zu kommunizieren, dass die Zustimmung unseres Sohnes Priorität hat und wenn er jemanden keinen Kuss oder Umarmung zum Abschied geben möchte, auch wenn es sich um Familie handelt, er das nicht tun muss.
4. Wir erklären und sprechen über unangenehme Gefühle
Wir können von unseren Kindern nicht erwarten, dass sie zum Ausdruck bringen, wenn ihnen etwas unangenehm ist oder ihnen etwas Angst macht, wenn wir ihnen nicht beigebracht haben, ein breites Spektrum an Gefühlen, insbesondere die unangenehmen und schwierigen zu verstehen und auszudrücken. Unsere Hoffnung ist, dass es uns über den Tag verteilt gelingt, Raum zu schaffen, um über negative Gefühle zu sprechen. Wenn unsere Kinder Situationen erleben, in denen sie sich unwohl fühlen oder jemand sie unangemessen berührt hat, fällt es ihnen vielleicht leichter, darüber ins Gespräch zu kommen.
5. Bei uns gibt es keine Geheimnisse
Bei vielen Missbrauchsfällen werden Kinder oft dazu gebracht, „das Geheimnis“ für sich zu behalten und deshalb haben wir vereinbart, dass es bei uns in der Familie keine Geheimnisse voreinander gibt. Da der Satz „Das ist unser kleines Geheimnis.“ auch oft ganz unbedarft unter Freunden oder in Familien fällt, wollen wir sichergehen, dass bei uns in der Familie dieser Satz keine Bedeutung hat. Wir ermutigen unsere Kinder, die Dinge zu erzählen, die von anderen als Geheimnis bezeichnet wurden, besonders wenn ihr Körper darin involviert war.
Da es bei uns keine Geheimnisse geben soll, haben wir mit unseren Kindern über den Unterschied zwischen einem Geheimnis und einer Überraschung gesprochen. Uns ist es wichtig, dass sie den Unterschied verstehen.
6. Wir befähigen sie, für sich einzustehen, wenn sich etwas falsch oder beängstigend anfühlt.
Um unseren Kindern beizubringen, wie sie für sich einstehen können, wenn sich etwas falsch oder beängstigend anfühlt, besprechen wir mit ihnen u.a. die körperlichen Warnsignale (wie Herzrasen, Schweißausbrüche oder ein „komisches“ Gefühl im Bauch) und wie sie darauf reagieren können. Wir erinnern unser Krabbelkind regelmäßig daran, dass er der Chef seines eigenen Körpers ist und er „Nein!“, „Stopp“ oder „Nicht anfassen!“ sagen darf, wenn jemand ihn durch Schubsen, Treten, Schlagen oder Berührung seiner Geschlechtsmerkmale unwohl fühlen lässt.
Ich glaube, dass letztendlich bei der Einführung von Sicherheitsregeln für den Körper am wichtigsten ist, dass es nicht aus Angst geschieht, sondern aus dem Wunsch heraus entsteht, unsere Kinder dazu zu befähigen und auszustatten, sich sicher zu fühlen. Es geschieht so leicht, dass mich Angst überwältigt, wenn ich über die Sicherheit meiner Kinder nachdenke oder spreche. Der Heilige Geist erinnert mich aber immer wieder daran, dass Gott uns nicht dazu berufen hat, von Angst getrieben unsere Kinder zu erziehen, sondern, dass wir dies voller Zuversicht und Vertrauen tun dürfen, weil wir von ihm Unterscheidungskraft, Führung und übernatürlichen Frieden erhalten werden.
„Denn Gott hat uns nicht den Geist der Furcht gegeben, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit” (2. Timotheus 1,7)